Industrie

BEDRÄNGT

Druck auf die Pappe

Der im Vorfeld geleakte Entwurf der EU-Kommission für ihre neue Verordnung zu Verpackungen und Verpackungsabfällen ist hochbrisant. Bei der Verfolgung ihres Ziels, Verpackungsabfälle zu verringern, droht gerade den ökologisch eindeutig vorteilhaften Verpackungen aus Papier und Karton Ungemach. DIE PAPIERINDUSTRIE und der Verband der Wellpappenindustrie VDW gehen zusammen mit ihren europäischen Dachverbänden gegen diese Pläne vor.


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Vordergründig geht es der Kommission um Abfallvermeidung. Die bisherige Richtlinie soll aus Gründen einer europaweiten Harmonisierung in Form einer unmittelbar geltenden Verordnung veröffentlicht werden. Sie will die Mitgliedstaaten verpflichten, die Verpackungsabfallmengen pro Einwohner im Vergleich zu 2018 um folgenden Anteil zu reduzieren:  5 % Reduktion bis 2030, 10 % Reduktion bis 2035, 15 % Reduktion bis 2040. Im Fadenkreuz sind dabei vor allem die Einwegverpackungen, gleich welcher Art.

Dass Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe komplett recycliert werden können, scheint den Bürokraten in Brüssel dabei nicht bewusst zu sein. »Es ist gerade auch die Recyclingfähigkeit, die sich für faserbasierte Materialien wie Wellpappe in der Ökobilanzierung von Verpackungen als klarer Pluspunkt erweist. Mehrweglösungen haben hier keineswegs immer die Nase vorn – es gibt also keine Grundlage für eine pauschale Bevorzugung«, kommentiert der VDW-Vorsitzende Dr. Steffen P. Würth das Papier. Der Vorsitzende der Vereinigung Pack- und Wellpappenpapiere im Verband DIE PAPIERINDUSTRIE, Bernd Scholbrock, springt ihm zur Seite: »Das betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. Da stehen wir an der Seite unserer Kunden.« Die Sorge in der Branche ist groß. Immerhin macht die Produktion von Wellpappenrohpapieren rund 44 Prozent der gesamten deutschen Papierproduktion aus.

Verbindliche Mehrwegquoten

Der Kommissionsentwurf hat es in sich. So sollen zum Beispiel ab 2030 die Hersteller von Haushaltsgroßgeräten wie Waschmaschinen sicherstellen, dass 90 Prozent dieser Geräte in Mehweg-Transportverpackungen bereitgestellt werden. Andere Wirtschaftsakteure, die Transportverpackungen (Paletten, Kisten, faltbare Boxen etc.) zur Beförderung von Gütern verwenden, müssen ab diesem Datum ebenfalls zu 50 Prozent Mehrwegverpackungen verwenden. Ab 1. Januar 2040 steigt die Quote auf 90 Prozent. Im Online-Handel mit Non-Food Gütern soll die Mehrwegquote ab 2030 20 und ab 2040 80 Prozent betragen.  Für Umverpackungen, mit denen z. B. Discounter kleinere Güter angeliefert bekommen, soll die Mehrwegquote 2030 bei 10 Prozent liegen und ab dem 1. Januar 2040 auf 50 Prozent steigen.

Keine Überverpackungen

Die Kommission will auch gegen »Überverpackungen« vorgehen. So soll ab 2030 jede Verpackungseinheit – gemessen an Schutzfunktion und Funktionalität – auf eine Minimalgröße reduziert werden. Davon sind vor allem Verkaufsverpackungen betroffen, die gemeinsam mit dem verpackten Produkt auf den Markt gebracht werden. Bei Massengütern darf der Leerraum nicht mehr als 25 Prozent, bei Kosmetika, Elektronik und Spiel-zeug sogar nur 15 Prozent betragen. Dies würde neben der Well-pappe auch Faltschachtelverpackungen treffen.

Damit ist der Forderungskatalog der EU aber noch nicht am Ende. So sollen künftig Verpackungen mit Informationen ihrer Zusammensetzung gekennzeichnet werden, um die Sortierung durch die Verbraucher zu vereinfachen. Diese Regelungen gelten zwar nicht für Transportverpackungen, betreffen aber Versandverpackungen. 48 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung sollen Verpackungen zudem mit Informationen über ihre Wiederverwendbarkeit sowie mit einem QR-Code zu Informationen über Mehrweg-Systeme etc. ausgestattet werden. Im Laden soll zudem kenntlich gemacht werden, ob es sich um eine Einweg- oder Mehrwegverpackung handelt. 

Verbände reagieren    

DIE PAPIERINDUSTRIE, die bei diesem Thema eng mit dem Verband der Wellpappenindustrie zusammenarbeitet, fordert in ihrem Positionspapier eine ausgewogene, verhältnismäßige und durchsetzbare Regelung für faserbasierte Verpackungen in Europa. Der bislang vorliegende Entwurf verkenne, dass Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe vollständig recycelt werden können. Gerade Deutschland ist beim Papierrecycling mit einer Quote von 79 Prozent europaweit führend. Um die Wertschöpfungskette Papier mit ihrer vorbildhaften Kreislaufwirtschaft nicht zu gefährden, fordert DIE PAPIERINDUSTRIE eine deutliche Überarbeitung der Richtlinie.

Der Verband der Europäischen Papierindustrie CEPI und DIE PAPIERINDUSTRIE hat auf das Papier bereits reagiert. In einem Schreiben an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, fordert der Verband eine ausgewogene, verhältnismäßige und durchsetzbare Regelung für Verpackungen in ganz Europa. Die geplanten Mehrwegziele für alle Verpackungen, unabhängig vom verwendeten Material, würden dazu führen, dass ein erheblicher Teil der recycelbaren Papier- und Kartonverpackungen durch Verpackungen auf fossiler Basis ersetzt würden.

Die überarbeitete Verpackungsrichtlinie müsse aus Sicht der CEPI viel mehr dem Aktionsplan der EU zur Kreislaufwirtschaft folgen, der vorsieht, dass bis 2030 alle Verpackungen wiederverwertbar oder recycelbar sein müssen. Materialien und Verpackungen mit hohen Recyclingquoten müssten von der Pflicht zur Wiederverwendung ausgenommen werden. Es dürften auch keine Negativlisten erstellt werden, die für bestimmte Verpackungen den Marktzugang behinderten. Vor allem dann nicht, wenn diese Verpackungen hochgradig im Kreislauf geführt werden können. Feste Recyclingquoten dürfe es zudem nur dort geben, wo es der Markt nicht von sich aus regeln könne. Zudem müsse die separate Erfassung von Abfällen durchweg als Grundlage einer Kreislaufführung eingestuft werden.