Wenn es nicht gelingt, ausreichend Gas zu sparen, werden Notfallmaßnahmen unausweichlich sein und zu Produktionsstopps in Unternehmen führen. Selbst wenn genügend Gas zur Verfügung stehen sollte werden die Unternehmen massiv belastet. Die ersten haben bereits die Produktion eingeschränkt.
Grünewald ist nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Vorsitzender des BDI-Ausschusses für Energie und Klimapolitik ganz dicht dran am Thema. In der Politik läuten derzeit alle Alarmglocken. Deutschland muss im Rahmen des EU-Gasnotfallplans bis zum März so viel Gas einsparen, wie fünf Millionen vierköpfige Haushalte durchschnittlich im Jahr verbrauchen. Die Bundesregierung, die bereits im Juni die nationale Alarmstufe ausgerufen hat, sieht die Chancen dafür skeptisch und bereitet sich auf eine Gasmangellage vor. Wenn bei akuter Gasknappheit auch ein Auktionsmodell, bei dem Unternehmen Gaskontingente handeln können, nicht mehr ausreicht, wird die Bundesnetzagentur die Verteilung übernehmen. Dann kann es auch zur Abschaltung von Produktionsanlagen kommen.
Papierindustrie kann Gas nur begrenzt ersetzen
Die Papierindustrie kann bis zum Winter höchstens 10–15 Prozent des Gasbezugs durch andere Energieträger ersetzen. Das sind Öl, Kohle und Strom. Dazu wird teilweise fieberhaft investiert, so etwa bei der Feldmühle in Uetersen, die eine neue Anlage auf Heizölbasis baut. Andere, wie etwas Sappi in Stockstadt oder Felix Schoeller in Osnabrück, verfügen noch über Kohlekraftwerke, die eigentlich jetzt abgeschaltet werden sollten. Über Sondergenehmigung dürfen sie jedoch wieder in Betrieb gehen. Ganz ohne Gas könnten in Deutschland nur noch 12 Prozent der normalen Papiermenge produziert werden.
Alle müssen sparen
Sollte es tatsächlich zu einer Gasmangellage kommen, wird es darum gehen, welche Belastungen Privatverbraucher tragen müssen und welche industrielle Produktion als unverzichtbar angesehen wird. Fertige Pläne gibt es dafür noch nicht. Bereits jetzt haben Wohnungsbaugesellschaften die Absenkung der Wohnungstemperaturen und Begrenzung für die Warmwasserversorgung angekündigt. Die Industrie hat sich über ihre Verbände in Stellung gebracht und pocht auf ihre Systemrelevanz. Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sehen das Problem. »Da gibt es Papierhersteller oder Glasproduzenten«, sagte Müller gegenüber dem SPIEGEL. Die würden zwar auf den ersten Blick nicht systemrelevant erscheinen – doch in Papier werde Mehl verpackt und in Glas Impfstoff.
Papier ist systemrelevant
Der Verband DIE PAPIERINDUSTRIE listet die Bedeutung von Papier nüchtern auf: Verpackungen aus Papier sind zentral für die Logistik der deutschen Wirtschaft. Vor allem auf Lebens- mittel- und Medikamentenverpackungen kann nicht verzichtet werden. Ohne Transportverpackungen aus Wellpappe bricht auch der sonstige Warenverkehr zusammen. Offenkundig ist auch der Bedarf an Hygienepapieren, die vor allem aus Medizin und Pflege nicht wegzudenken sind. Rund 40 Millionen Bundesbürger informieren sich mehrmals wöchentlich über die gedruckte Tageszeitung, die mit 74 Prozent Zustimmung zu den glaubwürdigsten Medien zählt und gerade in der Krise ein stabilisierendes Element unserer Gesellschaft sein dürfte. Auch technische- und Spezialpapiere sind unverzichtbar, seien es Filterpapiere für die Lebensmittelproduktion oder in der Medizin bis hin zu Banknoten, die auch bei einem Ausfall elektronischer Systeme den Zahlungsverkehr ermöglichen.