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Reservisten aus der Industrie

In der Corona-Krise muss die Bundeswehr die zivile Verwaltung unterstützen. Dabei kommen auch Reservisten zum Einsatz. Tausende haben sich in diesem Frühjahr gemeldet, um in Corona-Testzentren, Gesundheitsämtern und Flughäfen tätig zu werden. Für einen eventuell bundesweit flächendeckenden Einsatz nicht genug. Um für zukünftige Anforderungen hier nachhaltiger aufgestellt zu sein, will die Bundeswehr deshalb enger mit der Wirtschaft kooperieren.


© Bundeswehr

Das Problem: Seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 hat sich die Zahl der verfügbaren Reservisten deutlich verringert. Zudem zeigten sich manche Arbeitgeber bei der Freistellung für den Reservistendienst zurückhaltend, da während des Einsatzes der Mitarbeiter im Betrieb fehlt und unter Umständen nicht ersetzt werden kann. Die Bundeswehr kann so bei einer notwendigen Hilfeleistung im Inneren nicht in dem Umfang auf die beträchtlichen Qualifikationen der Ehemaligen zurückgreifen.

»Wir suchen hier keinen 18-jährigen, der mit dem Sturmgewehr durchs Unterholz robbt. Wir brauchen Logistiker, Arbeitssicherheitsexperten und Mechatroniker«, erklärt Oberstleutnant Alexander Sauer. Sauer betreut beim Landeskommando Hessen das Pilotprojekt »Kooperation Bundeswehr mit Wirtschaft und Arbeitgebern«, mit dem für die Freistellung von Mitarbeitern für den Reservistendienst geworben werden soll. Bei Erfolg soll das Projekt bundesweit ausgeweitet werden.

Freistellungen sind gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Reservisten freizustellen ist für Sauer gelebtes Corporate Citizenship: »Hier geht es auch um die gesamtstaatliche Mitverantwortung der Unternehmen«. Das gelte ebenso für die jeweiligen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren, des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) oder des Technischen Hilfswerks (THW). Das Bundesministerium der Verteidigung und der Verband der Reservisten der Bundeswehr würdigen jedes Jahr öffentlichkeitswirksam Arbeitgeber, die die Reserve mit ihrem Engagement vorbildlich unterstützen.

Sauer wirbt aber nicht nur mit der gesamtgesellschaftlichen Mitverantwortung, sondern auch damit, dass die Reservisten im Reservistendienst zusätzliche Qualifikationen für ihren Beruf erwerben können, etwa im Bereich Menschenführung, Sprachen oder Sanitätsdienst. Zudem böte der vorübergehende Dienst in der Bundeswehr auch einen Perspektivwechsel, der oft innerhalb verfestigter Strukturen in Unternehmen so nicht möglich wäre. Dies könne sich positiv auf die Mitarbeiterbindung und Motivation auswirken.

Als weiteres Argument führt der Offizier an, dass der Reservistendienst, der von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten dauern kann, durchaus eine Ventilfunktion in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darstellen kann. »Wenn Kurzarbeit nicht mehr ausreicht, können qualifizierte Mitarbeiter, ohne dass dazu eine Entlassung notwendig wäre, auch über einen längeren Zeitraum freigestellt werden und anschließend wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren«.

Finanzielle Unterstützung

Finanziell macht es die Bundeswehr allen recht einfach. Sofern der Arbeitgeber einer Freistellung zustimmt, erhalten Reservisten über das Unterhaltssicherungsgesetz Lohn und Gehalt weitergezahlt. Auch Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und zur Altersversorgung übernimmt die Bundeswehr. Den freistellenden Unternehmen können auf Antrag die anteiligen Kosten für eine gleichwertige Ersatzkraft erstattet werden.

Auch Ungedient dienen

Um den großen Bedarf an Reservisten auch in Zeiteneiner kleineren Berufs- und Freiwilligenarmee zu decken, gibt es heute neue Möglichkeiten. Auch Arbeitnehmer, die bislang nicht bei der Bundeswehr gedient haben, können über Wochenendkurse zu Reservisten ausgebildet und in einer der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) eingesetzt werden. – gag