Industrie

Gefährdet

Industriestrompreis ist ein Muss

Ohne einen Industriestrompreis können die energieintensiven Industrien die Energiewende nicht durchhalten. Kaum zeichnet sich hier eine Lösung ab, droht die nächste Belastung. die Bundesregierung will den Spitzenausgleich bei der Stromsteuer abschaffen. Um noch am Standort Deutschland produzieren zu können, braucht die Papierindustrie beides.


Der Wirtschaftsminister redete Klartext. Beim CDU-Wirtschaftsrat im Mai verwahrt sich Robert Habeck gegen die »üble Nachrede«, sein Ministerium arbeite daran, energieintensive Unter-nehmen etwa aus der Stahl-, Zement- oder Papierindustrie aus Deutschland zu vertreiben. Das Gegenteil sei richtig: Alle politisch Verantwortlichen in Berlin hätten vielmehr das allergrößte Interesse daran, diese Firmen im Land zu halten. Damit die Unternehmen die Phase bis zum erhofften Umstieg auf erneuerbare Energien hinbekommen, sollen die Unternehmen mit einem staatlich subventionierten Strompreis aufgefangen werden, dem sogenannten Brückenstrompreis. Dieser soll nach Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums bei 6 Cent pro Kilowattstunde liegen. Beschlossene Sache ist das Ganzedennoch nicht, denn in der Ampelkoalition gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. Für BundesfinanzministerChristian Lindner ist ein Industriestrompreis »verteilungspolitisch ungerecht, ökonomisch ineffizient und praktischschwer umsetzbar«. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußertsich kritisch. Die Industrie macht dagegen mobil. Gemeinsam haben die Verbände der energieintensiven Industrie und Gewerkschaften, darunter DIE PAPIERINDUSTRIE und die IGBCE, Mitte August eine »Allianz pro Brückenstrompreis« gegründet, die sich mit einer entsprechenden Forderungan die Staatskanzleien und die zuständigen Bundesministeriengewendet hat.

Spitzenausgleich gefährdet

Während sich Unterstützung für einen Brückenstrompreis, der aus Sicht der Industrie zwischen 4 und 6 Cent pro Kilowattstunde liegen sollte, abzeichnet, droht neues Ungemach. Die Bundesregierung will den Spitzenausgleich bei der Energie- und Stromsteuer ab 2024 streichen. Der Spitzenausgleich wurde1999 zeitgleich mit der Einführung der Stromsteuer eingeführt. Seitdem können energieintensive Unternehmen bis zu 90 Prozent der abgeführten Strom- und Energiesteuer zurückerhalten. Ziel des Spitzenausgleichs ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken. Im Gegenzug müssendiese ihre Energieeffizienz steigern. Allein für die Papierindustrie bewirkt der Spitzenausgleich eine Absenkung der Steuerbelastung im dreistelligen Millionenbereich. Aus Sicht des Bundesverbandes der deutschen Industrie wäre die Abschaffungdes Spitzenausgleichs die falsche Entscheidung zur falschenZeit. Die Stromkosten für die Betriebe würden unter dem Strichum gut 1,8 Cent pro Kilowattsstunde steigen, die Gesamtbelastung läge dann bei rund 1,5 Mrd. Euro.

Industrie ist entsetzt

Energieintensive Unternehmen müssen bislang besonders geringe Stromsteuern zahlen. Diese Entlastung will dieBundesregierung nun abschaffen – zum Entsetzen der Industrie. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht gegen die geplante Abschaffung eines Steuerprivilegs für beson-ders energieintensive Unternehmen auf die Barrikaden. Die im jüngsten Haushaltsentwurf der Ampelkoalition vorge-sehene Streichung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuerab 2024 würde »auf einen Schlag eine Verzehnfachung derStromsteuerbelastung für rund 8.800 Unternehmen bewirken –darunter viele kleine und mittlere Unternehmen des ener-gieintensiven Mittelstands«, schreibt BDI-Präsident SiegfriedRusswurm in einem Brandbrief an die Politik. Auch die energieintensiven Industrien Chemie, Stahl,Metalle, Baustoffe, Papier und Glas verweisen in Briefen an Bundeskanzler Scholz, Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner darauf, dass die energieintensiven Branchen sowohl auf die Entlastung bei der Stromsteuerwie auf einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis ange-wiesen sind, um weiter ihren Beitrag von 40 Mrd. Euro für dieSteuer- und Sozialsysteme leisten zu können.