Daher hat unser Verband im letzten Jahr ein eigenes Büro im Herzen von Brüssel, nur wenige Schritte vom Europäischen Parlament entfernt, eröffnet. Dies ermöglicht die gezielte Interessenvertretung und erlaubt schnelle Reaktionen auf wichtige Rechtsakte wie die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) und neue Verordnungen zu Bisphenol A. Für bevor-stehende Herausforderungen wie die Regulierung von Carbon Capture and Storage (CCS) und die EU-Entwaldungsverordnung wird diese Standorterweiterung eine wichtige Rolle spielen.
Vor der aktuellen Europawahl hat unser Verband erstmals seine politischen Prioritäten unter dem Titel »PULP AND PAPER VISION 2030« für die neue EU-Kommission und die neu gewählten Europaabgeordneten veröffentlicht, die hier kurz vorgestellt werden. Der Verband DIE PAPIERINDUSTRIE strebt eine Wirtschaftspolitik an, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie stärkt und gleichzeitig die europäischen Werte fördert. Durch innovative und umweltfreundliche Produkte hat die Branche bereits den Weg in eine grünere Zukunft eingeschlagen. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage braucht die Branche allerdings Unterstützung, um den Prozess der Transformation bewältigen zu können.
INNOVATIONSKRAFT NUTZEN
Unsere Unternehmen sehen sich in der Übergangsphase zur Klimaneutralität belastet von einer Reihe an Teuerungen und Unsicherheiten. Die hohen Energiekosten und der erschwerte Zugang zu Rohstoffen behindern die Aufrechterhaltung der Produktion wichtiger Güter des täglichen Bedarfs. Bürokratische Hürden verlangsamen die Umsetzung innovativer Investitionsprojekte, die bestehende Standorte zukunftsfähig gestalten und den grünen Wandel fördern. Die Unternehmen der deutschen Papierindustrie entwickeln nachhaltige Produktionsprozesse und investieren in grüne Energien. Mit einem hohen Engagement treiben wir den ökologischen Fortschritt voran – und müssen gleichzeitig das Überleben der Unternehmen sichern. In dieser Übergangsphase benötigen wir politische Unterstützung. Wir streben eine Wirtschaftspolitik an, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie stärkt, ihr den Zugang zu erschwinglicher Energie sowie den benötigten Rohstoffen absichert und ihr mehr Planbarkeit verschafft. Gemeinsam gestalten wir so die zukünftige europäische Wirtschaftspolitik.
TRANSFORMATION ZUR KLIMANEUTRALITÄT
Die Papierindustrie in Deutschland leistet zum Beispiel mit eigenen KWK-Anlagen und mit dem Engagement für den Einsatz von Wasserstoff einen Beitrag zur Klimaneutralität. Unsere Energie¬produktion ermöglicht eine flexible Anpassung an Wind- und Sonnenenergie. Die Branche hat ihre Emissionen kontinuierlich gesenkt und kann als Kohlenstoffsenke dienen. Allerdings erschwe¬ren die Verknappung der CO2-Zertifikate im ETS und die Reduzierung der kostenlosen Zuteilung die Bedingungen für unsere Industrie. Die Papierindustrie braucht den angemessenen und effektiven Schutz vor Carbon Leakage. Dies umfasst eine ausreichende Bewertung des europäischen CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM), bevor es auf andere Sektoren ausgeweitet wird. Um die Klimaneutralitätsziele für 2050 zu erreichen, bedarf es nachhaltiger Grundlastkapazitäten zur Stromerzeugung, einer sicheren Energieversorgung sowie wettbewerbsfähiger Strompreise auf europäischer Ebene.
INVESTITIONEN IN INNOVATIONEN
Der grüne Wandel erfordert große Investitionen, für die ausreichende Mittel zur Verfügung stehen müssen. Vereinfachte Beihilferichtlinien sind notwendig, um das volle Potenzial auszuschöpfen und effektive Förderprogramme auf nationaler und EU-Ebene zu gestalten. Zur Sicherung kontinuierlich innovativer Prozesse sollten PPP-Projekte sowie die Finanzierung von Pilotprojekten beitragen.
KREISLAUFWIRTSCHAFT AT IST BEST
Unsere Industrie ist das Best-Practice-Beispiel für die Kreislaufwirtschaft. Sie erreicht eine Altpapiereinsatzquote von 83 Prozent und ist damit eine Vorzeigebranche eines nachhaltigen Wirtschaftssystems. Dass die Methode des Wiederaufbereitens genauso wirkungsvoll ist wie die der Wiederverwendung, sollte im Rahmen der Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung zur Geltung kommen. So könnten Europa und Deutschland auf Verpackungen aus erneuerbaren und nachhaltigen Rohstoffen setzen – auch mit Verbundverpackungen, bei denen der Anteil an fossilen Rohstoffen etwa durch unsere Fasern systematisch weiter reduziert wird.
BESSERER ZUGANG ZU ALTPAPIER
Unser Produkt könnte einen noch größeren Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten, wenn der Zugang zu qualitativ hochwer¬tigem Altpapier verbessert würde: Die Papierindustrie fordert dazu auf, ein einheitliches System innerhalb der Europäischen Union zu etablieren, das die getrennte Sammlung von Papier ermöglicht. Eine Harmonisierung des getrennten Sammelns von Papier, Leichtverpackungen, Bio- und Hausmüll in allen Mitgliedstaaten erhöht die Menge des verfügbaren Papiers für den Recyclingkreislauf drastisch. Gleichzeitig wird die Menge an Abfällen reduziert, die nicht recycelt oder wiederverwendet werden.
NACHHALTIGE WASSERNUTZUNG
Die Papier- und Zellstoffindustrie nutzt Wasser verantwortungsvoll und nachhaltig. Ungefähr 90 Prozent des bei der Papier- und Zellstoffproduktion verwendeten Wassers werden nach mehrfacher Nutzung wieder in Oberflächengewässer eingeleitet. Die restlichen 10 Prozent werden als Wasserdampf in die Atmosphäre abgegeben, wobei die Abwärme größtenteils innerhalb des Betriebs und teilweise als Fern- oder Industriewärme genutzt wird. Nur ein kleiner Teil des Wassers verbleibt in den Produkten. Um das volle Potenzial zur weiteren Reduzierung des Wasserverbrauchs auszuschöpfen, sind aus Sicht der Branche entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen notwendig. Die Papierindustrie braucht kontinuierlich Wasser in guter Qualität und ausreichender Menge. Es dürfen keine Beschränkungen von Wasserentnahmemen¬gen festgelegt und keine unverhältnismäßigen Anforderungen bezüglich der Einleittemperaturen gestellt werden.
BIOÖKONOMIE FÜR EINE FOSSILFREIE ZUKUNFT
Die Papierindustrie investiert auch in die Forschung und Entwicklung im Bereich der Bioökonomie. Beispielhaft sind neue Anwendungen auch für andere Branchen wie die Entwicklung von Bioraffinerien oder anderer Verfahren zur Herstellung biobasier¬ter Produkte. Die Bioökonomie in der Europäischen Union sollte daher durch Forschung und Entwicklung gefördert werden.