Industrie

Verantwortung übernehmen

Hans-Christoph Gallenkamp, CEO des Spezialpapierherstellers Felix-Schoeller, ist seit November Präsident von DIE PAPIERINDUSTRIE e.V. Wir haben ihn zu seinem Amt, seinem Selbstverständnis und den aktuellen Herausforderungen für die Branche befragt. Er sieht sich als Familienunternehmer in einer besonderen Verpflichtung.


Hans-Christoph Gallenkamp © Jörn Martens

Papier. Kann mehr!: Herr Gallenkamp, Sie sind im November zum neuen Präsidenten des Verbandes DIE PAPIERINDUSTRIE gewählt worden. Was hat Sie bewegt, sich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen?

Gallenkamp: Ich betrachte es als unternehmerische Verpflichtung, Aufgaben nicht nur für die eigene Firma, sondern auch für die Branche zu übernehmen. Unsere Branche als energie- und ressourcenintensive Industrie steht vor großen Herausforderungen. Die Politik macht es uns aktuell eher schwer als leicht. Man kann nicht immer nur schimpfen und sich beschweren, man muss auch bereit sein, selber seinen Beitrag zu leisten.

Es gab eine ganze Reihe namhafter Vertreter unserer Industrie, die mich im vergangenen Jahr gefragt haben, ob ich diese Aufgabe nicht übernehmen möchte. Darunter war auch mein Vorgänger Winfried Schaur. Ich habe daraufhin hinter den Kulissen die Arbeit des Verbandes und seines Präsidiums noch intensiver verfolgt und schließlich zugesagt, zu kandidieren. Ich freue mich sehr, dass ich auf der Mitgliederversammlung mit einem einstimmigen Votum gewählt wurde.

Pkm: Sie repräsentieren bereits die fünfte Generation aus der Familie, die sich ehrenamtlich im Verband engagiert. Ihr Ur-Großvater war bereits im Vorstand des Verbandes der Papierindustrie, ihr Vater mehrfach Präsident und Ehrenpräsident des Verbandes. Liegt so etwas in der Familie?

g: Es gibt ein in unserer Familie gelebtes Unternehmerbild, das von Gemeinsinn und Pflichterfüllung sowie Verantwortungsübernahme geprägt ist. Ich habe das schon als Kind wahrgenommen und bin mit diesem ethischen Vorbild in meine Aufgaben hineingewachsen. Ich denke, dass Familienunternehmern bei derartigen Aufgaben eine besondere Verantwortung zukommt. Das hat auch damit zu tun, dass die Papierindustrie stärker von Familienunternehmen geprägt ist als andere Branchen.

Pkm: Die Papierindustrie durchlebt gerade eine schwierige Phase. Die Nachfrage geht drastisch zurück. Der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen steigt. Was können Sie, kann der Verband für die Unternehmen leisten?

g: Die Branche steht tatsächlich unter einem ungeheuren Druck. In den vergangenen Jahren hat die Papierindustrie von günstigen Standortfaktoren in Deutschland und einer guten bis sehr guten Nachfrage profitiert. Dieses hat sich in den letzten Monaten deutlich verändert. Neben einer anhaltenden Konjunkturschwäche sowie strukturellen Veränderungen im Segment der grafischen Papiere sind es vor allem die von der Politik herbeigeführten Zwänge, die die Industrie belasten. Die hohen Energiekosten bei gleichzeitig notwendigen Investitionen in die Dekarbonisierung ohne verlässliche Rahmenbedingungen sind eine so große Herausforderung, dass die Bundesregierung hier mit Entlastungsmaßnahmen gefordert ist. Dafür kämpfen wir als Verband DIE PAPIERINDUSTRIE mit unseren ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeden Tag. Wir stellen konkrete Forderungen, wie die Rahmenbedingungen für die Papierindustrie aussehen müssen, um am Standort Deutschland weiter wettbewerbsfähig produzieren und gleichzeitig den Weg der Transformation beschreiten zu können. Dazu haben wir zum Beispiel eine vielbeachtete Klimastudie herausgegeben.

Wir dürfen nicht vergessen, dass DIE PAPIERINDUSTRIE nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Arbeitgeberverband und damit Tarifpartner der IGBCE ist. Der enge Schulterschluss, den wir beim Thema Brückenstrompreis mit den Gewerkschaften erreicht haben, zeigt, wie wir die aktive Sozialpartnerschaft in unserer Branche leben. Nach vorne geht es um die Attraktivität der Industrie. Wir sind als Branche auf kompetente und motivierte Fachkräfte angewiesen. Dazu gilt es, weiter an der Zukunftsfähigkeit unserer Industrie und der darin aktiven Unternehmen zu arbeiten. Zu dieser Zukunftsfähigkeit gehört auch eine stärkere Innovationsleistung. Innovationen in neue Produktebereiche und -anwendungen, aber auch in Grundlagenforschung. Der Verband hat daher ein Strategieprojekt gestartet, um eine Vision, Mission und Strategie im Bereich der gemeinsamen Aktivitäten der Papierbranche bei vorwettbewerblicher Forschung und Lehre zu entwickeln. Diese Themen werden von einem Kernteam bearbeitet, das sich aus Vertretern der Papiererzeugung, der Papierverarbeitung und der Zulieferindustrie sowie Repräsentanten der branchenrelevanten Forschungseinrichtungen zusammensetzt.

Pkm: Wie ist aus Ihrer Sicht die Wahrnehmung der Papierindustrie in der Öffentlichkeit?

g: Zum Thema Toilettenpapier hat ja jeder eine Meinung (lacht). Aber mal im Ernst: Unsere Branche produziert eine große Vielfalt von Produkten, ohne die unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft nicht funktionieren würden. Denken Sie nur an den Verpackungsbereich, die grafischen oder die Spezialpapiere. Mittlerweile hat auch die Politik verstanden, dass wir ein Schlüssel für den Industriestandort Deutschland sind und am Anfang einer ganzen Reihe bedeutender Wertschöpfungsketten stehen. Leider wird aber die Papierindustrie in der breiten Öffentlichkeit nicht als das wahrgenommen, was sie ist: ein innovativer Industriezweig mit aktiven Antworten auf die Herausforderungen der gesellschaftlichen Transformation. Wir sind Innovationstreiber, beispielsweise im Bereich Verpackungen. Immer öfter werden Plastikverpackungen durch gleichwertige Papierverpackungen ersetzt. Papier ist heute schon ein wichtiger Werkstoff und ein wichtiger Wertstoff und kann diese Rolle nach vorne noch deutlich weiter einnehmen. Hier kommt auch dem Verband DIE PAPIERINDUSTRIE eine tragende Rolle zu, dieses immer wieder zu thematisieren. Es geht auch darum, Papier in das richtige, nach meiner tiefen Überzeugung zukunftsfähige Bild zu rücken. Ein weiteres Qualitätsmerkmal unserer Branche ist, dass es in der Papierindustrie qualifizierte und sichere Industriearbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung gibt – und das vor allem im ländlichen Raum.

Pkm: Ist das Bild der Branche ausbaufähig?

g: Natürlich müssen wir unseren Nutzen und unseren Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder kommunizieren, aber wir haben ein solides Fundament, auf dem wir aufbauen können. Mit Studien und aktuellen Positionspapieren zeigen wir die Stärken der Branche als innovative und zukunftssichere Branche mit einer vorbildlichen Kreislaufwirtschaft, die auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Das hilft uns auch bei unseren politischen Themen weiter. In der Politik werden wir als seriöser Gesprächspartner wahrgenommen.

Pkm: Als Präsident werden Sie auch in öffentlichen Auftritten und gegenüber der Politik eine besondere Rolle einnehmen. Wie werden Sie sich nach Außen – also in Gesprächen mit der Politik und den Medien – positionieren?

g: Ich werde weiterhin authentisch und glaubwürdig kommunizieren. Der Unterschied wird sein, nicht mehr nur für Felix Schoeller, sondern für eine ganze Branche zu sprechen. In der Argumentation ist es hilfreich, immer wieder auf gute Fallbeispiele aus den Unternehmen der Papierindustrie – auch dem eigenen – verweisen zu können, um unseren Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft konkret zu verdeutlichen und wirtschaftliche Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Gleichzeitig hilft dies, notwendige Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen Erfolge einzufordern.

Pkm: Lobbying für eine ganze Branche ist keine one-man-show und Sie müssen im Hauptberuf ein großes Unternehmen führen. Wie ist die Aufgabenverteilung im Verband?

g: Das Amt des Präsidenten kann man nur erfolgreich wahr- nehmen, wenn man ein schlagkräftiges hauptamtliches Verbandsteam und ehrenamtlich engagierte Unternehmer im Rücken hat. Da ist zunächst einmal die Organisation selbst mit Alexander von Reibnitz als Hauptgeschäftsführer und Andre Müller als seinem Stellvertreter mit dem Schwerpunkt Tarif- und Sozialpolitik. Hinzu kommen die Landeswirtschafts- und Arbeitgeberverbände, die vielfach in Personalunion geführt werden. Überall arbeiten Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachbereichen. Diese Hauptamtlichen bilden das Fundament, auf dem die Ehrenamtlichen aufsetzen können. Und das ist nicht nur der Präsident. Wir haben ein fünfköpfiges Präsidium, das alle Produktgruppen der Branche repräsentiert, sich mehrmals im Monat austauscht und arbeitsteilig arbeitet. Hierzu gehört auch die Mitarbeit im BDI sowie auf europäischer Ebene in der CEPI. Darüber hinaus gibt es den Vorstand, dessen Mitglieder sich aktiv in die Verbandsarbeit, insbesondere die politische Lobbyarbeit, einbringen. Hinzu kommen die Ausschüsse und Fachvereinigungen, der eigentliche »Maschinenraum« des Verbandes, die unter anderem die Fakten für unsere politischen Themen erarbeiten.

Pkm: Welchen Beitrag können die einzelnen Unternehmen leisten, um den Branchenauftritt nach außen zu stärken?

g: Es ist wichtig, dass alle Mitglieder die gemeinsam erarbeiteten Positionen kennen und diese nach außen mit einer Stimme und proaktiv vertreten. Deutschland ist kein zentralistischer Staat – die Musik spielt oft in den Regionen. Ein direkter Kontakt zu einem Bundestags-, Landtags- oder Europa-Abgeordneten vor Ort kann entscheidend sein, um auch in Berlin oder in Brüssel zusätzliche Türen zu öffnen. Gleiches gilt für Medienkontakte. Redaktionen mit einer Papierfabrik vor der Haustür haben meist einen direkteren Zugang zu unseren Anliegen als ein Korrespondent in Berlin. Nur wenn wir uns gegenseitig die Bälle zuspielen, sind wir richtig stark. Der Erfolg der Interessenvertretung hängt davon ab, dass wir als Branche geschlossen in einem Boot sitzen und in dieselbe Richtung rudern. – gag