Papier und Kultur

Wo Papier zu Kunst wird

Wo hätte sie sonst gegründet werden können, die International Association of Hand Papermakers and Paper Artists (IAPMA)? In Düren war es, wo am 24. Mai 1986, als Papier als Kunstmedium noch wenig bekannt war, der Schweizer Papieringenieur und Künstler FRED SIEGENTHALER zusammen mit der damaligen Direktorin des Dürener Leopold-Hoesch-Museums, DR. DOROTHEA EIMERT, und einer kleinen Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern aus den USA, Großbritannien, Brasilien, Spanien, Belgien und Israel den Grundstein für eine internationale Papierkunstvereinigung legten, die heute 650 Mitglieder in 52 Ländern umfasst.


Das Spektrum der IAPMA ist breit angelegt. Zu den Mitgliedern zählen Künstler, Papiermacherinnen, Wissenschaftler, Restauratorinnen, Pädagogen aus Schulen und Universitäten, Museumsmitarbeiterinnen und Menschen, die sich für Papier im weitesten Sinne interessieren und davon fasziniert sind. Die Organisation kommuniziert deshalb intensiv nach innen und außen, wo gerade Ausstellungen stattfinden, die sich mit der speziellen Kunstform Papier beschäftigen. Bulgarien, Südkorea, Polen, Australien, Dänemark, Frankreich und die USA sind die Hotspots in diesem Jahr. Vom 12. bis 16. September fand der zweijährliche Kongress der Vereinigung in Dresden statt. Veranstaltungsorte waren die Hochschule für Bildende Künste Dresden, die Grafik- werkstatt Dresden sowie das Stadtmuseum im Landhaus in Dresden. Die den Kongress begleitende Ausstellung »PAPER ALIVE! Papierkunst International« (14.09.– 29.10.2023) ist im Design Campus des Kunstgewerbemuseums (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, SKD) zu besichtigen. Auf Einladung von IAPMA-Präsidentin Fides Linien war zum Kongress auch die ugandische Ministerin Betty Amongi gekommen. Laut Fides Linien wurde das diesjährige Motto des Kongresses »PAPER ALIVE!« ganz bewusst gewählt. »Papier ist ein lebendiges Medium – formbar, beständig und durchsetzungsfähig. Es sind genau diese Eigenschaften, die während des IAPMA-Kongresses 2023 in Dresden hervorgehoben werden sollten«, sagt die Künstlerin.

INTERVIEW MIT IAPMA-PRÄSIDENTIN FIDES LINIEN

Wie sind Sie persönlich an die künstlerische Arbeit mit Papier gekommen?

Ich habe 2007 während meines Studiums der Bildenden Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden angefangen, mit handgeschöpftem Papier zu arbeiten. Seither habe ich mit verschiedenen Fasermaterialen und Techniken der Papiermanipulation experimentiert. So habe ich meine eigene künstlerische Arbeitstechnik mit Papier, die ich »CartaStaminea« nenne, entwickelt.

Was macht Papier als Material für die Kunst eigentlich so interessant?

Papier ist sehr vielfältig in seiner Erscheinung, Papier ist vielseitig einsetzbar, einfach zu bearbeiten und Papier ist nachhaltig. Das Verblüffende an Papier ist, dass es nach seiner künstlerischen Verarbeitung oft gar nicht wiedererkennbar ist als »Papier« oder »Faserstoff«. Interessant ist Papier auch für Künstler, weil dessen Herstellungsprozess etwas Alchemistisches hat: Im Arbeitsprozess der Papierherstellung von Hand ist es bei (fast) jedem Arbeitsschritt möglich, das Endergebnis zu beeinflussen, also das Fasermaterial, die Pulpe oder das Papier zu manipulieren. Schon die Veränderung des Aggregatzustands vom Rohmaterial zu nasser Pulpe, die schließlich zu trockenem Papier wird, hat etwas Magi sches.

Wie grenzt sich Papierkunst von handwerklichem Gestalten mit Papier ab?

Zunächst ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Die Papierkunst (»Paper Art«) ist der Familie der Faserkunst (»Fiber Art«) untergeordnet. Zu dieser Familie gehört auch Textilkunst (»Textile Art«). Es gibt auch Mischformen. Papierkunst würde ich als Ober- begriff bezeichnen, der für Kunstwerke und kunsthandwerkliche Erzeugnisse steht, die (zu einem großen Teil) aus Papier bestehen — genauer: Kunstwerke, bei denen der künstlerische Ausdruck durch Papier entsteht. Papier spielt bei Grafiken nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb beinhaltet Papierkunst nicht Grafiken, da hier das Papier nur Träger des künstlerischen Ausdrucks ist.

Welche Trends sind konkret erkennbar?

Es gibt derzeit eine Neuentdeckung der Ästhetik von Papier, die auch mit den erweiterten technischen Verwendungen von Papier zu tun hat. So gibt es z. B. neue industrialisierten Ländern. Aber auch in der südlichen Hälfte der Welt gibt es viele interessante Ansätze, wie man aus Papier, Papiermüll bzw. Papierresten neue und neuartige Dinge erschaffen kann.

Was wünschen Sie sich für die Kunst mit Papier in Zukunft?

Natürlich wäre es toll, wenn Papierkunst gleichwertig neben Malerei und Grafik bestehen würde und Papierkunst monetär aufgewertet werden würde. Auf dem Kunstmarkt werden Handpapiermacher wie Zulieferer von etablier- Einsatzmöglichkeiten im Bau und in der Architektur, der Automobil- und der Flugzeugbaubranche. In der Mode gibt es zunehmend große Modelabels, die mit (Papier-) Künstlern zusammenarbeiten. Papierkunst ist zwar immer noch ein »Nischenprodukt«. Aber das Bewusstsein und das Interesse der Industrie daran nehmen zu.

Gibt es da nationale Unterschiede?

Das Bewusstsein für den Werk- stoff Papier und dessen (künstlerische) Einsatzmöglichkeiten konzentriert sich vor allem in den ten Künstlern gesehen. Dabei kommt es vor, dass der Name des Handpapiermachers nicht genannt wird, wenn z. B. ein (Papier-)Kunstwerk, das durch Zusammenarbeit eines Künstlers mit einem Handpapiermacher entstand, für eine fünfstellige Summe verkauft wird. Ich finde, das sollte anders sein. Es wäre auch wünschenswert, dass Papierkunst in verschiedenen Branchen bei Kooperationen mit Künstlern miteinbezogen wird. Die Papierkunst selbst sollte sich auch in sich weiterentwickeln. Es gibt noch sehr viel Spannendes zu entdecken.

www.iapma.info