Industrie

ZERFASERT

Was raschelt im Stroh?

Altpapier und Holzzellstoff bleiben die wichtigsten Halbstoffe für die Papierproduktion. Aber nicht nur bei Hygienepapieren setzen immer mehr Unternehmen auch auf alternative Faserstoffe. Stroh, Gras, Bambus, Silphie und Miscanthus sind mehr als nur ein Marketing-Gag und ergänzen den Einsatz von herkömmlichem Zellstoff und Altpapier. 


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Stroh

Die Herstellung von Strohzellstoff war bis in die 1960er Jahre in Deutschland an der Tagesordnung, allerdings zur Herstellung grober Pappen. Mit moderner Technologie bieten sich heute ganz andere Möglichkeiten. Essity hat das für seine Hygienepapierproduktion erkannt und 2021 in Mannheim ein eigenes Stroh-Zellstoffwerk in Betrieb genommen. Dahinter steht eine Investition von 40 Millionen Euro. Der Zellstoff aus Stroh ist laut Essity dabei genauso weich, reißfest und saugstark wie herkömmlicher Zellstoff aus Holzfasern. Er wird zu Toilettenpapieren der Marke Zewa verarbeitet. Nicht nur, dass Stroh ein bei der Getreideernte lokal anfallender Rohstoff ist, der in der Landwirtschaft zum Teil ungenutzt bleibt – laut Firmenangaben hat der Strohzellstoff einen um mindestens 20 Prozent geringeren ökologischen Fußabdruck als Zellstoff aus Holz- oder Recyclingfasern.

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Miscanthus

Auf Einjahrespflanzen setzt auch die westfälische WEPA. Für seine Marke BlackSatino verarbeitet das Unternehmen seit jeher Büropapier, Pappbecher, Getränkekartons, Flaschenetiketten und gebrauchtes Handtuchpapier. Die zunehmende Rohstoffknappheit hatte bereits 2013 zu ersten – erfolgreichen – Versuchen mit Miscanthus geführt, einem gr0ß wachsenden Chinaschilf, das auch als Energiepflanze angebaut wird. Miscanthus kann auf normalen landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Düngung, Bewässerung oder den Einsatz von Pestiziden angebaut werden. Die Pflanzen wachsen etwa 20 Jahre lang jedes Jahr zu ihrer vollen Größe heran. Vergleicht man den Ertrag im Vergleich zu Holz, kommt WEPA in der Berechnung auf 70 Prozent weniger Landfläche für die gleiche Fasermenge. WEPA hat errechnet, dass der ökologische Fußabdruck von Miscanthusfasern um 65 Prozent kleiner ist als bei herkömmlichen Frischholzfasern. Angebaut wird die Pflanze in Westeuropa, z.B. in den Niederlanden.

Bambus im Mix

Die Papierfabrik Albert Friedrich, Fripa, setzt bei ihren Toilettenpapieren der 2021 gegründeten Marke oecolife auf einen Fasermix, bei dem auch Bambuszellstoff zum Zuge kommt. Der Bambus findet zusammen mit bis zu 60 Prozent Strohzellstoff, Altpapier und herkömmlichem Holzzellstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft Verwendung. Auch Fripa ist mit der Qualität der Faserstoffalternativen zufrieden. »Unsere oecolife-Toilettenpapiere sind genauso weich wie Toilettenpapier aus Frischzellstoff«, sagt Andreas Jörn, Geschäftsleitung Marke und neue Geschäftsfelder bei Fripa.

Gras

Ganz auf Gras setzt schon seit längerem das Hennefer Unternehmen Creapaper – und das nicht nur bei Hygienepapieren, sondern auch bei Druck- und Verpackungspapieren. Creapaper liefert dabei in einem patentierten Verfahren hergestellte Graspellets an Papierfabriken. In der industriellen Fertigung kann je nach Verwendungszweck Papier aus bis zu 50 Prozent Grasfasern hergestellt werden. Die Rezeptur kann dabei sowohl mit Holzzellstoff als auch mit Altpapier erfolgen. Graspapier eignet sich auch für Food- und Serviceverpackungen. Durch die Herkunft des Grases aus Überschussflächen oder anderem, nicht für die Fütterung von Vieh genutztem Grasland entsteht auch keine Nutzungskonkurrenz mit der Vieh- oder Milchwirtschaft. Den besonderen Vorteil bei der Verwendung von Gras sieht Creapaper im niedrigen Wasser- und Energieverbrauch bei der Herstellung der Faserpellets.

Die Papierfabrik Meldorf nutzt Grasfasern für die Produktion von Wellpappenrohpapieren. Das Unternehmen hat bereits vor fünf Jahren damit begonnen und setzt bis zu 30 Prozent Grasfasern in der Produktion ein. Dazu Geschäftsführer Yasin Birgül: „Die Nachfrage ist stetig wachsend, da der Mix aus Recycling- und Grasfasern optisch und haptisch den Nerv der Zeit trifft. Wir werden auch in Zukunft weiter in alternative Fasern investieren.“

Klassische Frischfaser

Bei Metsä Tissue Deutschland sieht man die Zukunft bei Tissue-Produkten eher bei Frischfasern aus Holz. Tobias Lüning, Senior Vice President Central Europe und Country Manager Germany von Metsä Tissue, sieht als Grund das immer knapper werdende Angebot an geeigneten Altpapier-Qualitäten und den Aufwand zur Aufbereitung von Altpapier. »Wir verbrauchen nicht mehr annähernd so viel Büropapier wie früher, und die Zahl der Zeitschriften und Anzeigen geht stetig zurück.« In der Tissue-Papierproduktion erfordere die Reinigung von Recycling-Rohstoffen viel Wasser und Energie, sodass die Verwendung von Recycling-Rohstoffen weniger effizient sei als die von reinen Frischfasern. Die in seinem Unternehmen eingesetzten Frischfasern stammten zudem aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern des Nordens, die als Langzeitspeicher für CO2 dienten.

Barriere mit Faservarianten

Pfleiderer Spezialpapiere produziert schon seit Jahren Papiere mit Zusatz von Grasfasern, Silphiefasern oder Weizenstrohzellstoff. So liefert das Unternehmen unter der Bezeichnung PT ECO-FIBER Verpackungspapiere für Wraps und Burger. Die mit einer natürlichen Barriere gegen Fett und flüchtige Mineralölverbindungen oder auch wässrige Medien ausgestatteten Papiere bieten z.B. in der Systemgastronomie die Möglichkeit das Verpackungsvolumen erheblich zu reduzieren und Kunststoffverbundmaterialien durch Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen. PT ECO-FIBER-Papiere sind problemlos recyclingfähig und biologisch abbaubar. 

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Silphie

Vornehmlich in der Produktion von Faltschachtel-Karton kommt der bis zu drei Meter hoch wachsende Korbblütler »Durchwachsene Silphie« zum Einsatz, der in Deutschland vielfach als Energiepflanze angebaut wird. Zusammen mit OutNature, eine Marke des Umweltdienstleisters PreZero, stellt Koehler Paper Silphie-Papier im industriellen Maßstab her. Seit Juli 2022 wird Silphie-Papier und -Karton im thüringischen Greiz in einem Flächengewichtsspektrum von 130 bis 330 Gramm pro Quadratmeter produziert und damit auf Karton-Qualitäten erweitert. Im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit soll auch an höheren Flächengewichten gearbeitet werden. Der Anteil der Silphie-Fasern beträgt mindestens 35 Prozent. »Die Silphie-Faser in Kombination mit Altpapier ist eine weitere sinnvolle Lösung, um die Kreislaufwirtschaft bei beispielsweise Verpackungen voranzutreiben«, sagt Udo Hollbach, Geschäftsführer von Koehler Paper am Standort Greiz. – gag